Samstag, 28. Mai 2011

Ein Plädoyer für die Schutzzone Vill

Von der Innsbrucker Stadtplanung wurde in Zusammenarbeit mit externen Gutachtern ein Entwurf für eine Schutzzone nach dem Tiroler Stadt- und Ortsbildschutzgesetz (SOG) 2003 ausgearbeitet, dessen Auflage vom Innsbrucker Gemeinderat beschlossen und zur Einsichtnahme aufgelegt wurde.

Die von der Schutzzone betroffenen Grundstückseigentümer wurden im Oktober 2010 von der Stadtplanung persönlich angeschrieben und zu einer Stellungnahme eingeladen.

Bei der Informationsveranstaltung am 25. Mai 2011 im Gasthof Turmbichl stellte die Stadtplanung nochmals das Projekt vor und erklärte Hintergrund und Intention der geplanten Schutzzone. Es bot sich daher auch die Gelegenheit, über Inhalte und aktuellen Bearbeitungsstand zu diskutieren. In Anwesenheit des SOG-Beiratsmitgliedes Arch. Philipp Stoll, der Gemeinderäte Gerhard Fritz und Johann Haller, der Leiterin der Stadtplanung Dipl. Arch. Erika Schmeissner-Schmid und der zuständigen Referenten der Stadtplanung, DI Hans-Peter Sailer und DI Philipp Heinricher, machten zahlreiche betroffene Grundeigentümer und interessierte Viller von dieser Möglichkeit Gebrauch.

Ich möchte hier als Vorstandsmitglied des Dorfvereins Vill und als Viller eine Lanze für die Einrichtung der geplanten Schutzzone brechen.

Der Verein führt den Namen „Dorfverein Vill zur Wahrung der eigenen Dorfstruktur“. Der Verein bezweckt (a) die Wahrung der Interessen der Bewohner des Ortsteiles Innsbruck-Vill, (b) die Ortsbildgestaltung von Vill unter besonderer Berücksichtigung des ländlichen/bäuerlichen Charakters des Ortes, (c) die Entwicklung von Möglichkeiten zur Integration der zahlreichen zugezogenen Mitbewohner von Vill in die bestehende Dorfstruktur, (d) die Pflege von kulturellen Aktivitäten in Vill, (e) die Pflege von geselligen Zusammenkünften und (f) die Schaffung eines Forums für soziale Dienste und Nachbarschaftshilfe.

Ein Dorfverein mit derartigen Zielsetzungen und Aufgaben muss sich bei der Frage der Einrichtung einer Schutzzone nach dem Stadt- und Ortsbildschutzgesetz zu Wort melden. Er muss sich meiner Meinung nach auch eindeutig positionieren. Würde er es nicht tun, hätte er jede Daseinsberechtigung verloren.

Der bisherige Diskussionsverlauf gestaltete sich äußerst unglücklich. Es erübrigt sich, über vergangene Säumnisse – von wem auch immer – zu lamentieren, wichtig ist eine Auseinandersetzung mit den inhaltlichen Positionen und Fragestellungen. Polemik und reflexartiges Nein-Sagertum sind bei dieser Diskussion zwar an der Tagesordnung, dürfen aber nicht die Szene beherrschen.

Es ist klar, dass die nicht betroffenen Grundeigentümer mit der Einrichtung einer Schutzzone keine Probleme haben. Auch wenn diese vordergründige Betroffenheit nicht vorliegt, muss man diesen Stimmen zugestehen, dass sie aus ehrlichem Interesse am Erscheinungsbild von Vill auf die Umsetzung einer solchen Zone drängen. Ich würde die Stimmung innerhalb von Vill aus Sicht des Dorfvereins dahingehend werten, dass die Viller Bevölkerung überwiegend „pro Schutzzone“ eingestellt ist, wenn auch der Großteil davon nicht besonders engagiert für deren Einrichtung kämpfen würde.

Auch in Igls wurden die Ausarbeitung einer Schutzzone und die Auflage des Plans beschlossen. Dort erfolgte dies übrigens auf Initiative des Unterausschusses mit dem ausdrücklich formulierten Anliegen, Projekte wie in der Igler Straße 59, dem ehemaligen Areal der Gärtnerei Tauber, künftig zu verhindern. Auch in Igls verläuft die Diskussion emotional und dauert noch an.

Dass in Vill ein Wohnbauprojekt, wie es am ehemaligen Tauber-Areal verwirklicht wurde, im Kernbereich des Ortes verhindert werden sollte, wird kaum Widerspruch hervorrufen. Dass dies aber nicht zur Verhinderung jeglicher Bautätigkeit führen soll, wird ebenfalls unbestritten sein.

Dem SOG 2003 geht es um die Sicherstellung der Erhaltung, Weiterentwicklung und Verbesserung der Bausubstanz und Funktion von Ortsteilen und Gebäudegruppen, die wegen ihres charakteristischen Gepräges für das Erscheinungsbild des Ortes als Gesamtensemble erhaltenswert sind. Zweck ist die qualitätvolle Gestaltung des Ortsbildes.

Gegen eine solche Zielsetzung sollte eigentlich niemand etwas einzuwenden haben.

Die Bebauungsregeln des Flächenwidmungsplanes bzw. der Bebauungsplan werden durch die Einrichtung einer Schutzzone im Übrigen nicht verändert. Die teilweise geäußerte Befürchtung, dass in einer Schutzzone eine Bautätigkeit nicht mehr möglich sein soll, ist irrational und schlicht unrichtig.

Unbestreitbar kommt es innerhalb der Schutzzone zu Einschränkungen. Jede Art von baurechtlich zulässigen Gestaltungsformen ist also innerhalb einer Schutzzone nicht mehr möglich. Wenn man allerdings Ortsbilder in der gewachsenen Form erhalten und bewahren möchte, muss es solche Konsequenzen geben.

Für jegliche bauliche Tätigkeit ist innerhalb der Schutzzone ein Gestaltungsgremium zu befassen, nämlich der SOG-Beirat. Dieser besteht u.a. aus Vertretern des Bundesdenkmalamtes, des Landes Tirol (Dorferneuerung), des Gemeinderates und der Architektenschaft. Der Beirat hat sich zu baulichen Maßnahmen und Veränderungen gutachterlich zu äußern, wobei Bauwerber bereits im Vorfeld den Beirat befassen und Erstbeurteilungen und Einschätzungen einholen können.

Sollten bauliche Auflagen – etwa bezüglich Materialien und Gestaltungselementen – zu einem Mehraufwand für den Bauwerber führen, ist ein Fördersystem eingerichtet, das die Mehrkosten abfedert.

Dass „gute“ und „schlechte“ Architektur immer auch mit Geschmacksfragen zu tun hat, will ich nicht bestreiten. Dass gute Architektur auf Umgebung, Funktion und Ortsbild positiv aus- und einwirkt, lässt sich nicht wegdiskutieren. Wer sich nur ein wenig damit befasst, kann unzählige Beispiele in näherer und weiterer Umgebung finden.

Diese Architektur kann im Übrigen „modern“ sein, ich behaupte sogar, dass gute Architektur modern sein muss. Wer das dann auf die Frage von Giebel- und Flachdächern reduziert, will entweder nur polemisieren oder hat keine Argumente.

Der Ruf der Tiroler Architektur-Szene ist hervorragend (Buchempfehlung: „Bauen in Tirol seit 1980“, herausgegeben vom Architekturforum Tirol, Verlag Anton Pustet). Ich bin mir also sicher, dass die im SOG-Beirat vertretenen Architekten die „Erhaltung und qualitätvolle Fortschreibung des Ortsbildes“ mit weitaus größerer Fachkunde sicherstellen können und werden als der Großteil der auch in Viller Startlöchern scharrenden Wohnbaugesellschaften.

Dass die betroffenen Grundeigentümer selbst zum weit überwiegenden Teil nicht daran denken, ihre vor Generationen geschaffene Bausubstanz zu zerstören, steht für mich außer Frage.

Aber darum geht es nicht.

Dass Veräußerungen von Liegenschaften in anderen Stadt- und Ortsteilen von Innsbruck mit ähnlichen Voraussetzungen wie in Vill (bäuerliche Reststrukturen) auf der Tagesordnung stehen, ist bekannt. Es ist auch bekannt, dass mangelnde Einflussmöglichkeiten in der Ortsbildgestaltung in solchen Stadtteilen zu nicht mehr wieder gutmachbaren Bausünden geführt haben (z.B. Arzl).

Umso mehr überrascht und berührt mich die Sichtweise, die betroffene Grundeigentümer in einer gemeinsamen Stellungnahme gegen die Einrichtung einer Schutzzone gegenüber der Stadt geäußert haben.

Die aufgelegte Schutzzonenverordnung schreibt den in der Schutzzone errichteten Gebäuden eine charakteristische Gebäudeeigenschaft zu, da sie eine gewisse geschichtliche, künstlerische und sonstige kulturelle Bedeutung haben und für eine bestimmte Epoche typische wissenschaftlich anerkannte architektonische Elemente aufweisen, weshalb sie aufgrund ihrer charakteristischen Gestaltung für das Ortsbild besonders prägend sind.

Der Sachverständige kommt zum Schluss, dass sich praktisch der gesamte Dorfkern von Vill mit seinen dort befindlichen Höfen in seiner Gesamtheit und in seiner Beziehung mit den umgebenden Freiräumen als ein harmonisches bäuerliches Ensemble darstellt, der die ländliche Besonderheit dieses Stadtteiles unterstreicht und damit als Ganzes durch das charakteristische, stadträumliche und architektonische Erscheinungsbild als Gesamtensemble für Innsbruck einzigartig und damit in höchstem Maße erhaltungs- und schützenswert ist.

Ich finde diese Zuschreibungen äußerst sympathisch und für den Großteil der betroffenen Gebäude auch zutreffend. Eigentlich ist es eine große Anerkennung für die, die diese Gebäude einst gebaut und für die, die sie erhalten haben.

In der genannten Stellungnahme gegen die Schutzzone wird – völlig verfehlt – zunächst die Ansicht vertreten, dass mit der Einrichtung der Schutzzone jegliche Bautätigkeit gänzlich unterbunden werden soll. Dass dies nicht der Fall ist, ergibt sich einerseits aus dem Gesetz und sollte andererseits auch aufgrund der jüngsten Ausführungen im Rahmen der Informationsveranstaltung ausgeräumt sein.

In der Stellungnahme heißt es dann weiter wie folgt:

Keines der in der geplanten Schutzzone liegenden Gebäude und keines der Grundstücke erfüllen die Voraussetzungen eines „charakteristischen Gebäudes“. Sämtliche Gebäude erfüllen „in keinster Weise die Kriterien des Denkmalschutzes“ und stellen „durch die Bank klassische 0-8-15-Architektur dar, die überall in Tirol angewendet wurde und damit keinem besonderen Schutz unterliegen könne“.

Die Stadt Innsbruck habe es verabsäumt, im Rahmen ihres Entwurfes darzutun, in welcher Hinsicht beispielsweise architektonische Charakteristika bestehen, die auch nur annähernd als schützenswert oder dem Ortsbildschutz dienend zu beurteilen sind. Es fehle im Gutachten jeglicher Hinweis auf äußerlich wahrnehmbare Stilelemente, bauhistorisch wertvolle Gegebenheiten und jeglicher Hinweis auf Umstände, woraus sich eine „prägende Wirkung“ der Gebäude ableiten ließe.

Ich meine, dass sich die Gebäudeeigentümer mit dieser Stellungnahme unter dem Wert ihrer Gebäude schlagen.

Ich glaube nicht, dass die Eigentümer so über ihre Häuser denken. Andererseits glaube ich, dass der Großteil der Viller, denen Vill am Herzen liegt, dem widersprechen würde.

Sollte es anders sein, plädiere ich dafür, die Einrichtung der Schutzzone zu verhindern. Wenn die Werthaltigkeit des derzeitigen Ensembles weder von den Betroffenen noch von den übrigen Dorfbewohnern wahrgenommen wird, wäre die Vorschreibung einer solchen Werthaltigkeit „von oben herab“ kontraproduktiv, ohne inhaltliches Substrat und damit ohne Nachhaltigkeit. Ein solches Ortsbild braucht dann auch nicht geschützt zu werden.

Als Ergebnis einer solchen Haltung wäre dann aber auch der Dorfverein aufzulösen, weil einer der entscheidenden Zwecke des Vereins keine Gültigkeit mehr hätte: die Ortsbildgestaltung von Vill unter besonderer Berücksichtigung des ländlichen/bäuerlichen Charakters des Ortes.

Ich würde mir wünschen, dass es nicht dazu kommt.

3 Kommentare:

  1. Ich finde so eine Schutzzone nach dem Tiroler Stadt- und Ortsbildschutzgesetz sehr gut bzw. wichtig, vor allem für den seit Generationen gewachsenen Ortskern. Aber auch alle Neubauten, die sich um diesen herum ausbreiten, sollten nach dem Gesichtspunkt einer Weiterentwicklung und nicht einer gesichtslosen Zersiedelung geplant werden. Da ich aber nur "a Zuagroaste" bin und darüber hinaus eine Nichtbetroffene, wird man meine Meinung vielleicht als Einmischung oder Wichtigtuerei ablehnen. Trotzdem möchte ich sagen, dass ich gerade deshalb so gerne in Vill wohne, weil es seinen dörflichen Charakter noch nicht ganz verloren hat.

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  2. Gedanken zur Schutzzone Vill

    Würde es sich bei der sogenannten „Schutzzone Vill“ um die unter Denkmalschutz Stellung des betroffenen Dorfkerns handeln, könnte ich die ablehnende Haltung einiger Betroffener verstehen.
    Nach genauer Recherche ergibt sich aber ein völlig anderes und für die Zukunftsperspektive von Vill interessantes Bild.

    Die Frage, die sich dabei stellt, ist eigentlich recht einfach:

    Wie/Wohin soll sich Vill in der Zukunft entwickeln ?
    - ortsbildmäßig, architektonisch, strukturell
    Und daraus direkt resultierend, aber meiner Meinung nach noch viel wichtiger
    - als Gemeinschaft mit einer dörflich funktionierenden, sozialen Vernetzung

    Gerade dieser zweite Punkt ist das Besondere von Vill, das hier noch existiert. Würde ich immer schon hier wohnen, würde mir das wahrscheinlich gar nicht auffallen, aber im direkten Vergleich mit drei anderen Innsbrucker Stadtteilen bin ich mir sicher, daß es ein großes Glück ist hier wohnen zu können!
    Deshalb bin ich mir sicher, daß eine vorsichtige und strukturierte Entwicklung, wie sie auch durch den Ortsbildschutz angedacht ist, für Vill eine große Chance darstellt, diese Besonderheit des dörflichen Lebens auch innerhalb einer Stadt zu bewahren.

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  3. Was auffällt: Für die „Zuagroasten“ (dazu gehöre auch ich), und zwar all jene, die sich auch am Dorfleben beteiligen, hat Vill und seine dörfliche Struktur eine besondere Bedeutung. Es ist etwas, das man lieb gewonnen hat und das man nicht so gerne aufgeben möchte. Dazu gehört zuerst einmal der Kontakt mit den Bewohnern selbst – den Alteingesessenen wie den ebenfalls neu Zugezogenen. Dazu gehört aber auch das, worin wir Viller uns bewegen, das, was die Alteingesessenen und deren Vorfahren aus diesem Dorf gemacht haben. Es ist Bestandteil des Dorfes und der Dorfgemeinschaft. In diesem Bezug zum Dorf unterscheiden sich Zugezogene und Alteingesessene nicht. Und auch in dem Wunsch, den Viller Dorfkern im Wesen so zu erhalten, wie er sich derzeit präsentiert, gibt es zwischen Alteingesessenen und Zugezogenen keine Meinungsunterschiede.

    Was sich allerdings unterscheidet, ist die unmittelbare Betroffenheit, die sich durch eine Schutzzone ergibt. Und darin sehen vor allem die Bewohner der davon betroffenen Anlagen eine Gefährdung ihrer künftigen Gestaltungsmöglichkeiten. Nicht etwa, weil sie möglicherweise etwas planen und vorhaben, das diesem Ortsbild entgegensteht – im Gegenteil – , sondern weil sie befürchten, dass sich diese Schutzzone auf ihre wirtschaftliche Existenz negativ auswirkt.

    Genau diese Ängste versuchten die zuständigen Referenten der Stadtplanung, DI Hans-Peter Sailer und DI Philipp Heinricher, bei der Informationsveranstaltung im Gasthof Turmbich abzubauen. Dabei zeigte sich auch, dass die Ängste nicht konkrete Sachverhalte betreffen, sondern vielfach unbestimmt und auch unzutreffend sind. Und es sind vor allem diese unbestimmten Ängste, die die Betroffenen für Argumente gegen eine Schutzzone leicht zugänglich machen. Ebenfalls sind es nicht jene, denen Vill ein Anliegen ist, die sie in diesen ihren Ängsten bestärken und ihnen zum Großteil widersinnige Argumente gegen eine Schutzzone liefern. In diesem Zusammenhang verwundert es beispielsweise doch einigermaßen, wenn ein Igler Schutzzonengegner, der bei keiner anderen Viller Dorfveranstaltung anzutreffen ist, an der Informationsveranstaltung teilgenommen hat.

    Es ist zu hoffen, dass die Viller Dorfbewohner und Betroffenen sich dafür entscheiden, wofür sie eigentlich immer eingetreten sind: Für ein Viller Dorf, in dem sie wohnen möchten und das sie auch so erhalten möchten. Denn eines ist sicher: der Viller Dorfkern konnte in den letzten Jahrzehnten nur so erhalten bleiben, weil es die Betroffenen so wünschten. Der Druck für ungewollte Veränderungen wird jedoch stärker werden und es wird möglicherweise dann nicht mehr nur an den Betroffenen allein liegen, wie sich das Dorf in wenigen Jahren entwickelt. Eine Schutzzone Vill ist nicht zuletzt vor allem ein Schutz des Dorfes vor einer Zerstörung durch Interessen, die nicht die Interessen der Betroffenen sind.

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