Sonntag, 7. Oktober 2012

AUS für die Schutzzone Vill

Über die viel diskutierte Schutzzone in Vill können seit Dienstag (2.10.2012) Gras und Blumen wachsen. Mit dieser Formulierung unterlegte die TT am 4.10.2012 ein Fotomotiv aus Vill und kommentierte damit das Ergebnis der Sitzung des Bauausschusses der Stadt Innsbruck zur Einrichtung einer SOG-Schutzzone für Vill.

Die Innsbrucker Stadtplanung hat vor knapp zwei Jahren in Zusammenarbeit mit externen Gutachtern einen Entwurf für eine Schutzzone nach dem Tiroler Stadt- und Ortsbildschutzgesetz (SOG) ausgearbeitet. Der Innsbrucker Gemeinderat hatte die Auflage dieses Entwurfs beschlossen und zur Einsichtnahme aufgelegt, seither war diese Schutzzone provisorisch in Geltung, befristet mit 22.10.2012. Nun ist die Zone endgültig gestorben, weil sich im Bauausschuss dafür keine Mehrheit fand.

Dazwischen lagen die Einladung an alle betroffenen Grundeigentümer, sich zu diesem Entwurf zu äußern und eine Informationsveranstaltung am 25. Mai 2011 im Gasthof Turmbichl mit zahlreichen betroffenen und interessierten Villern, bei der Vertreter der Stadtplanung ebenso anwesend waren wie Mitglieder des aktuellen SOG-Beirates und die Gemeinderäte Gerhard Fritz und Johann Haller. Natürlich wurde darüber in Vill diskutiert. Die Mehrheit der Viller Bevölkerung hat sich für die Einrichtung einer Schutzzone ausgesprochen. Von den 8 Mitgliedern des Vorstands des Dorfverein Vill stimmten 7 Mitglieder (davon ein betroffener Grundeigentümer) für die Schutzzone und 1 Mitglied (ein betroffener Grundeigentümer) dagegen.

Man kann zum Ergebnis und zur Notwendigkeit der Schutzzone und dieses Instrumentariums stehen wie man will. Ich reibe mir aber verwundert die Augen, wenn ich so manche Begründung für die Ablehnung im Bauausschuss lese (Quelle: TT vom 2.10.2012 und vom 4.10.2012, Martin Mitterwachauer):

„Man kann nicht gegen die Mehrheit den Eigentümern eine Schutzzone aufoktroyieren, weil das Leben in dieser Zone dann nicht funktionieren wird“ (Bauausschussmitglied StR Christoph Platzgummer, ÖVP)

„Wir haben keinen großen Willen in der Bevölkerung gespürt, dass diese Zone gewollt ist“ (Bauausschuss-Obmann Lucas Krackl, FI)

 „Wir wollen keine Politik über die Köpfe der Bürger hinweg machen“ (Klubobmann Franz Gruber, ÖVP)

Die Regierung habe es in den vergangenen zwei Jahren nicht geschafft, die Bewohner vom gepriesenen „Mehrwert“ der Schutz­zone zu überzeugen – also solle­ diese jetzt auch nicht beschlossen werden (Platzgummer)

„Erhaltenswert wäre der Ortskern aber schon.“ Es sei eine „schwierige Sache“, letztlich aber eine „politische Abwägung“ gewesen (Krackl)

Zweck des SOG 2003 ist die Sicherstellung der Erhaltung, Weiterentwicklung und Verbesserung der Bausubstanz und Funktion von Ortsteilen und Gebäudegruppen, die wegen ihres charakteristischen Gepräges für das Erscheinungsbild des Ortes als Gesamtensemble erhaltenswert sind. Es geht um die qualitätvolle Gestaltung des Ortsbildes.

Die geplant gewesene Schutzzonenverordnung schreibt den in der Schutzzone errichteten Gebäuden eine charakteristische Gebäudeeigenschaft zu, da sie eine gewisse geschichtliche, künstlerische und sonstige kulturelle Bedeutung haben und für eine bestimmte Epoche typische wissenschaftlich anerkannte architektonische Elemente aufweisen, weshalb sie aufgrund ihrer charakteristischen Gestaltung für das Ortsbild besonders prägend sind. Praktisch der gesamte Dorfkern von Vill mit seinen dort befindlichen Höfen in seiner Gesamtheit und in seiner Beziehung mit den umgebenden Freiräumen stelle sich als ein harmonisches bäuerliches Ensemble dar, der die ländliche Besonderheit dieses Stadtteiles unterstreiche und damit als Ganzes durch das charakteristische, stadträumliche und architektonische Erscheinungsbild als Gesamtensemble für Innsbruck einzigartig und damit in höchstem Maße erhaltungs- und schützenswert sei.

Die Stadtplanung hat in der Informationsveranstaltung auf diese Aspekte und Hintergründe hingewiesen, die Schutzzone sehr gut argumentiert und hervorragende Vorbereitungsarbeit geleistet. Offensichtlich ist das aber egal.

Ich habe gelernt, dass es hier nicht um eine objektive Prüfung der Voraussetzungen laut SOG geht, sondern ein „Aufoktroyieren gegen die Mehrheit“ verhindert werden muss. Blöd nur, dass dabei übersehen wurde, dass unter den betroffenen Eigentümern diese Mehrheit – wenn überhaupt – sehr knapp ist. Aber offensichtlich genügt es nicht, ob das konkrete Areal schützenswert ist, weil es einen „Mehrwert“ an sich hat.  Es muss zusätzlich auch die Bevölkerung von diesem Mehrwert überzeugt werden, was in bürgernahen Zeiten grundsätzlich sehr löblich ist. Blöd nur, dass diese Überzeugungsarbeit geklappt hat, weil die Mehrheit der Villerinnen und Viller jedenfalls für die Einräumung der Schutzzone ist.

Über die Köpfe der Bürger hinweg, Herr Gruber, ist zumindest in dieser Causa nicht Politik gemacht worden. Der Entwurf lag seit 2 Jahren zur Einsicht auf, die Stadt hat jeden einzelnen der betroffenen Eigentümer persönlich angeschrieben und die Pläne dargelegt und ausführlich vor Ort informiert. Auf einen solchen „Sager“ will man als Politiker aber offensichtlich nicht verzichten, egal, ob er zutrifft oder nicht.

Ganz lustig finde ich schließlich, dass „ein großer Wille in der Bevölkerung pro Schutzzone gespürt werden muss“, um für deren Einrichtung votieren zu können. Weil dieses G’spür offenkundig nicht die Herzen einiger politischer Entscheidungsträger berührt hat, musste dagegen gestimmt werden, obwohl „der Ortskern schon erhaltenswert wäre“. Das ist wirklich eine „schwierige Sache“, aber Gott sei Dank ist die Auflösung nicht schwer: Es bedurfte einer politischen Abwägung.

Das Ergebnis ist daher auch mit einfacher Arithmetik zu erklären, 1 + 1 zusammenzuzählen genügt. Über welche Schienen und Türen auch immer, es ist gesprochen worden. Man muss auch nicht viel darüber nachdenken, welche Farbenlehre entscheidend war. Das Ergebnis hat gepasst.

Allerdings soll gesagt werden, dass es diese Entscheidung ist, mit der Politik über die Köpfe anderer gemacht wurde.

PS.:
Ich persönlich verstehe die Vorbehalte und Befürchtungen der betroffenen Grundeigentümer, die ich gut kenne, die ich schätze und von denen einige zu meinen Freunden zählen. Ich verstehe auch, dass sie alles in die Wege geleitet haben, um ihren Standpunkt durchzusetzen.

Mich stören aber diese Begründungen der zitierten Ausschussmitglieder. Sie sollen wissen, dass die meisten ihrer Bürger die einfachen Grundrechnungsarten beherrschen.